Sollte Gott wirklich Schlechtes wie Tod und Krankheiten nutzen, um Neues und Gutes zu wirken?

Kerstin Marzinzik

In unseren Augen sind Tod und Krankheiten sowie anderes, was das Leben bedroht oder die Lebensfreude raubt, schlecht und es fällt schwer, sich vorzustellen, dass Gott solche Mittel nutzt, um daraus Gutes zu schaffen. Doch genau das setzt die Evolution ja voraus.

Der Tod hat Schattenseiten – z. B. für Menschen, die spüren, dass ihr Tod nahe ist, oder für trauernde Angehörige. Aber er ist, wie bereits in den vorangegangenen Artikeln ausgeführt, nicht in jeder Hinsicht schlecht. Und wir dürfen bei allen Spekulationen darüber, wie Gott Neues wirkt, nie vergessen, dass Gottes Gedanken nicht unsere Gedanken sind und er oft andere Wege geht und führt, als wir denken und wollen (Jes 55,8-9). Das lässt sich am Leben vieler biblischer Personen zeigen – und auch am eigenen Leben nachvollziehen! Denn wer hat noch nicht erlebt, dass Gott oft erst nach unten führt, bevor ein Mensch neue (geistliche) Höhen erklimmen kann?

Gott wirkt durch „widrige Umstände“

Betrachten wir beispielsweise Josef. Er hatte als Jugendlicher große Träume: vor ihm verneigten sich im Traum Sonne und Mond sowie 11 Sterne. Sein Vater verstand die Bedeutung: Josefs Eltern und Brüder würden sich vor ihm verneigen (1.Mo 37). Doch was wurde aus den Träumen? Josef wurde von seinen Brüdern gehasst, sie verkauften ihn an Händler, er kam als Sklave nach Ägypten und wurde sogar unschuldig ins Gefängnis geworfen! Erst nach diesen Demütigungen und Erniedrigungen war die Zeit Gottes gekommen, um ihn zu erhöhen und zum zweitmächtigsten Mann in Ägypten zu machen. Ein gutes Ergebnis – aber ein schwerer Weg! Hätte Gott Josef die Mühen nicht ersparen und gleich Karriere machen lassen können?

Oder betrachten wir Mose. Als Baby nur knapp dem Tod entronnen, hatte er am ägyptischen Königshof sicher ein angenehmes Leben. Doch Gott wollte ihn nutzen, um sein Volk aus Ägypten herauszuführen und dazu musste sein Charakter zurecht geschliffen werden. Das ging nicht am königlichen Hof; dazu musste Mose 40 Jahre lang (!) in der Wüste Schafe hüten! Erst dadurch wurde er zu dem demütigen Mann (4.Mo 12,3), den Gott für seine Zwecke gebrauchen konnte.

Auch König David machte kein Blitzkarriere. Er wurde schon früh zum König gesalbt, doch bevor er das hohe Amt antreten konnte, für das Gott ihn erwählt hatte, musste auch er eine Vorbereitungszeit durchlaufen – viele Jahre war er vor Saul auf der Flucht, bis dieser starb und David sein Nachfolger wurde.

Und auch bei den großen Männern im Neuen Testament lief nicht alles glatt. Am meisten wird uns über das Leben des Paulus mitgeteilt. Er konnte wortgewandt schreiben, aber sein sonstiges Auftreten war vermutlich nicht so beeindruckend und ein rhetorisch guter Redner war er wohl auch nicht (2.Kor 10,10). Dazu war er auch noch körperlich beeinträchtigt. Er spricht von einem „Dorn im Fleisch“ (2.Kor 12,7), was vielleicht ein Augenleiden bezeichnet (Gal 4,15), vielleicht auch eine andere Krankheit. Wir haben immer die Größe seines Dienstes im Gedächtnis und übersehen dabei, wie viele Widerwärtigkeiten ihm im Leben begegneten: Gemeinden wandten sich von ihm ab, wurden von Irrlehrern bedroht; eifersüchtige Juden verfolgten ihn (versuchten ihn zu steinigen oder anderweitig zu töten); und er geriet oft in Todesgefahr, in Seenot, erlitt Schiffbruch, fiel unter Räuber usw. (vgl. z. B. 2. Kor 11,23 ff). Doch was lernte Paulus aus alledem? War er verbittert oder enttäuscht von Gott? Nein: sein Fazit (bzw. Gottes Antwort) lautete:

2.Kor 12,9-10: Und er [der Herr Jesus] hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn [meine] Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung. Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Misshandlungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.

Alle diese Beispiele zeigen, dass Gott gerade die schwierigen Situationen im Leben nutzt, um unsere Ecken und Kanten abzuschleifen und uns immer mehr in sein Ebenbild zu verwandeln – und uns immer besser auf unsere Aufgaben in dieser Welt vorzubereiten. Wir sehen das Negative, Schlechte und Unangenehme oft als Strafe oder als etwas, das wir gerne vermeiden würden. Und doch sind es gerade die schweren Zeiten, die uns geistlich weiterbringen, in denen wir Dinge hinterfragen und zu Kurskorrekturen bereit werden. Das „Schlechte“ dient zum Guten!

Röm 8,28: Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach [seinem] Vorsatz berufen sind.

Wenn durch widrige Umstände unser Glaube herausgefordert und unser Charakter zurecht geschliffen wird, werden wir dadurch auf das Wiederkommen Christi vorbereitet – quasi für ihn „schön gemacht“, damit er bei seinem Kommen durch uns verherrlicht und geehrt wird:

1.Pt 1,6-7: […] die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, in mancherlei Versuchungen betrübt worden seid, damit die Bewährung eures Glaubens viel kostbarer befunden wird als die des vergänglichen Goldes, das durch Feuer erprobt wird, zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi; […]

Oft führt Gottes Weg erst in die Tiefe, bevor es nach oben geht. Wenn das für das menschliche Leben gilt, warum sollte Gott nicht gleichsam auch Negatives als Schöpfungsprinzip für diese Welt benutzen?

Gott schafft Neues – durch den Tod!

Gott nutzt nicht nur Negatives, um in uns Gutes hervorzubringen – er nutzt sogar explizit den Tod. Dazu zunächst ein Beispiel aus dem Alten Testament. Als Gott sein Volk Israel in das verheißene Land Kanaan brachte, gab ER die Anordnung, die Bewohner des Landes zu töten. Er befahl nicht ihre Vertreibung, sondern ihre Tötung! Eine Anordnung, die viele Menschen heute als barbarisch, grausam und eines „guten Gottes“ für unwürdig beurteilen. Aber sie kam von Gott. Er nahm (nach einigen Jahrhunderten Schonfrist [1.Mo 15,13-16], die die Kanaanäer aber nicht nutzten, um Buße zu tun und von ihren Sünden abzulassen), ihren Tod in Kauf, um seinem Volk einen Neuanfang in einem eigenen Land ermöglichen zu können.

Doch nicht nur im Alten Testament ist der Tod ein Mittel Gottes, um Neues zu schaffen, sondern auch im Neuen Testament – und zwar sowohl in physisch-materieller Hinsicht wie auch in geistlicher. Jesus starb am Kreuz, damit wir neues, ewiges Leben bekommen können. D. h. Gott wählte den TOD als das Mittel, um uns zu erlösen und um neues, besseres Leben hervorzubringen.

Jesus selbst beschreibt seinen bevorstehenden Tod mit einem Bild aus der Natur.

Joh 12,24: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.

In dieser Aussage deutet nichts darauf hin, dass der Tod negativ ist. Im Gegenteil: Jesus betont hier den positiven Aspekt des Todes, nämlich die reiche Frucht, die daraus resultieren wird.

Wenn ein Mensch durch den Glauben an Jesus Christus gerettet wird, findet noch ein zweiter „Tod“ statt: er stirbt dem alten Leben in der Sünde ab und wird zu einer neuen Schöpfung (Röm 6,2-8; Kol 3,3; 2.Kor 5,17). Wer nicht bereit ist, dem alten Leben zu sterben, kann das neue Leben nicht bekommen. Auch hier hat der „Tod“ einen positiven Effekt und ist die Voraussetzung für Neues!